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Um die Entstehung der langhaarigen Variante der Hauskatze ranken sich unzählige Geschichten und Mythen. Immer wieder werden die verschiedenen Wildkatzenarten als Quelle besonderer Eigenschaften, in diesem Fall in Bezug auf die Langhaarigkeit, bemüht. Dies soll hier näher betrachtet werden. Dazu ist gut, einmal einen kurzen Blick auf die nahe Verwandtschaft unserer Hauskatzen zu werfen. Hauskatzen, die oft als eigene Unterart Felis silvestris catus angesehen werden, gehören der Art Felis silvestris an. Alle Unterarten können untereinander fruchtbare Nachkommen zeugen und gehören somit zu einer gemeinsamen Art. Die Art Felis silvestris unterteilt sich in die Unterarten:
Die Art Felis silvestris unterteilt sich in die Unterarten:
Die Ergebnisse eines Teams der Universität Oxford um den Genetiker Carlos Driscoll (a) waren für viele eine Überraschung: Genau wie der Mensch lassen sich weltweit alle Hauskatzen auf einen afrikanischen Urtyp zurückführen: Die afrikanische Wildkatze Felis silvestris lybica. „Insgesamt gibt es fünf wesentliche Erbgut-Linien, die in den heutigen Hauskatzen erkennbar sind”, schreibt Driscoll - die wichtigsten Merkmale seien heute immer noch ähnlich wie vor 100.000 Jahren. Ihre Heimat war der ganze Nahe Osten. Sie jagte, spielte und kämpfte auf den staubigen Feldern des sogenannten Fruchtbaren Halbmonds, der sich vom Tigrisdelta im heutigen Irak bis nach Oberägypten erstreckt. Andere lokale Wildkatzenarten spielten bei der Entstehung der Hauskatzen ursprünglich keine Rolle. Möglicherweise kam es bei Hauskatzen hin und wieder in geringem Umfang Einkreuzungen, die jedoch keine heute nachweisbaren Spuren im Genpool der Hauskatzen hinterließen. Ein kurzer Ausflug in die Genetik: Das Langhaargen Bei Katzen ist ein bestimmtes Gen, der so genannte Fibroblasten Wachstumsfaktor 5 (FGF5), für die Haarlänge verantwortlich. Die bei Wildkatzen vorkommende Form des Gens bewirkt einen Wachstumsstopp nach einer bestimmten Zeit und führt so zu kurzem Fell. Für langes Fell sind vier verschiedene Allele (Mutationen) von FGF5 bekannt, die rezessiv sind und die das Wachstum des Haares nicht stoppen. Drei dieser Allele sind relativ rassespezifisch, eines kommt bei allen Langhaarrassen und deren Mischlingen vor: Allel M1: Ragdoll Allel M2: Norwegische Waldkatze Allel M3: Maine Coons und Ragdoll Allel M4: alle Langhaarrassen und Mischlinge incl. Ragdoll, Maine Coon und Norwegische Waldkatze. Weitere, noch nicht identifizierte Gene, so genannte Modifikatorgene, haben zusätzlich einen Einfluss auf das Wachstum der Haare und sind dadurch verantwortlich für das Ausmaß der Langhaarigkeit. Grundsätzlich kann man also genetisch zwischen Langhaar und Kurzhaar unterscheiden. Halblanghaar wird durch weitere, von FGF5 unabhängig vererbte Modifikatorgenen bewirkt. Bei Persern, Birma, Sibirischer Waldkatze und türkischen Langhaarkatzen (Van und Angora) kommt vor allem M4 vor. M4 ist vermutlich die älteste Mutation und kommt deshalb in allen Langhaarrassen vor. M1, M2 und M3 sind vermutlich später unabhängig voneinander entstanden und wurden durch Foundationtiere in geringem Maß in die Rassen Ragdoll (M1, M3), Norwegische Waldkatze (M2) und Maine Coon (M3) eingebracht. Das bedeutet, dass alle Langhaarkatzen vor langer Zeit einen gemeinsamen Vorfahren hatten, bei dem durch Mutation des Wildgens die Variante M4 entstand. Seine Nachkommen gaben das Gen weiter, bis schließlich durch die Verpaarung von zwei Träger von M4 die ersten langhaarigen Kätzchen geboren wurden. Mit Hilfe des Menschen verbreitete sich die attraktiven Langhaarkatzen und mit ihnen das Langhaargen M4 über die ganze Welt.
Die Langhaar-Connection
Man weiß also heute, dass sich die Hauskatzen vom fruchtbaren Halbmond aus in die ganze Welt ausbreiteten. Wann die ersten langhaarigen Exemplare auftauchten, ist nicht bekannt, aber anders als in Europa sind Langhaarkatzen bereits auf chinesischen Zeichnungen des 10.Jhdt. zu sehen. Es sind Katzen in den verschiedensten Farben, wie sie auch bei normalen Hauskatzen üblich sind. Die Point-Variante war damals in China wohl noch nicht bekannt oder sehr selten, auch ganz weiße Katzen werden zu dieser Zeit noch nicht abgebildet. Im Gegensatz zu ihren kurzhaarigen Verwandten waren Langhaarkatzen etwas Besonderes und wurden vor allem zusammen mit Frauen oder Kindern der herrschenden Oberschicht gezeigt. Auf Zeichnungen des 15.Jhdt. sind dann erstmals auch aufgehellte Farben - blau und creme - sowie Points und weiße Katzen zu erkennen.
Während der Tang-Dynastie (10.Jhdt.) bis hinein in die Ming-Zeit ( 14.-17. Jhdt.) herrschte ein reger Handel zwischen den Ländern am östlichen Mittelmeer, großen Teilen des Mongolischen Reiches und China. Die so genannte Seidenstraße erlebte ihre Blütezeit. Es ist also anzunehmen, dass Langhaarkatzen in Asien schon seit langem bekannt und begehrt waren. Ein weiteres Beispiel für den weltweiten Handel mit besonderen Katzen sind die weißen Schönheiten, die mit großer Wahrscheinlichkeit aus den Hochebenen südlich des Kaukasus stammen, die im Nordosten an die Türkei grenzen. Im Islam und in den Erzählungen ihrer Heimat nehmen weiße Katzen eine besondere Stellung ein. Gilt doch die Farbe Weiß als Zeichen der Rein- und Keuschheit. Schon der Prophet Mohammed (570-632 n.CHr.) soll so eine weiße Katze bessessen und sehr geschätzt haben. Vermutlich sind die weißen Katzen aus dieser Gegend die Vorfahren aller weißen Katzen und wurden vom Meschen über die ganze Welt verbreitet.. Aus Japan ist bekannt, dass neben der dreifarbigen Mi-Ke auch gerne weiße blauäugige Katzen als Mäusefänger für die kostbaren Seidenraubenzuchten eingesetzt wurden. Auch hier wird angenommen, dass der Ursprung der weißen Fellfarbe bei Katzen im Kaukasus zu finden ist, was somit auch ein wichtiges Indiz für den Austausch von Katzen bis nach Japan sein könnte. Von den Point-Katzen wird angenommen, dass sie erstmals in Zentralasien auftraten. Die Verbindung zwischen Zentralasien und an anderen Orten auftauchenden Pointkatzen ist wiederum die Seidenstraße. Von diesen Handelsbeziehungen blieb Europa lange Zeit fast völlig ausgeschlossen, so dass es durchaus plausibel ist, dass Langhaarkatzen sich über ganz Asien verbreiteten, nicht jedoch nach Europa. Wie man anhand dieser Beispiele sehen kann, sind aufgrund ihrer Farbe oder der Fellbeschaffenheit besonders attraktive Katzen schon seit Jahrhunderten beliebte Handelsgüter für die Reichen und Mächtigen. Wie jeder Besitzer von nicht kastrierten Katern und Katzen bestätigen kann, ist es gar nicht so einfach, eine vermehrungswilliges Tier in seinem Bewegungsradius einzuschränken, so dass Verpaarungen dieser wertvollen Luxuskatzen mit ganz normalen Hauskatzen sicher eher die Regel als die Ausnahme waren und Langhaargene überall dort in einer Population erhalten blieben, wo sie zu keinem Nachteil oder gar einem Überlebensvorteil für die Katzen führten.
Ein Blick nach EuropaLanghaarkatzen waren in Europa noch im 16.Jhdt. praktisch unbekannt und der nachweislich erste Europäer, der langhaarige Katzen beschrieb, war der italienische Forschungsreisende Pietro della Valle. 1614 schiffte er sich in Venedig zu einer Wallfahrt in den Orient ein. Die Reise führte ihn in die Türkei, nach Ägypten und Arabien, von da nach Jerusalem, durch Syrien und Persien bis nach Indien. Nach fünf Jahre kehrte über Mesopotamien und die Levante wieder nach Italien zurück. Er hatte so einen Großteil des damals den Orient beherrschenden Osmanischen Reiches bereist. Von einigen Katzen, die er im heutigen Iran sah, war er offensichtlich so beeindruckt, dass er sie mit folgenden Worten beschrieb: „In Persien gibt es eine Katze, die man in Gestalt und Form durchaus mit unseren gewöhnlichen Katzen vergleichen kann, die aber unendlich schöner ist, was den Glanz und die Farbe ihres Fells angeht. Es ist blaugrau und weich und glänzt wie Seide. Der Schwanz ist sehr lang und mit 15 Zentimeter langen Haaren bedeckt.” Della Valle hatte offensichtlich Langhaarkatzen im aufgehellten Farbschlag blau beschrieben. Auf seinen Reisen lernte er seinen Berichten zufolge auch die Asiatin Maaui kennen und lieben. Als sie heirateten, brachte sie 4 Paare der schönen Langhaarkatzen als Aussteuer mit nach Italien. Was aus den Langhaarkatzen der Familie Della Valle wurde, ist leider nicht überliefert.
Es wird wohl auch in Zukunft nie ganz geklärt werden, wo die ersten Langhaarkatzen geboren wurden, aber auch aktuelle genetische Untersuchungen legen nahe, dass die älteste Mutation, die zu einem langen Fell führt, bei den aus Asien stammenden Katzen auftrat, die die Rassen Perser, Türkisch Angora, Türkisch Van und Birma begründeten (b). Vermutlich erbten auch die in Russland vorkommenden langhaarigen Hauskatzen, die heute als Sibirische Waldkatzen als eigene Rasse anerkannt und gezüchtet werden, von diesen frühen Langhaarkatzen das Gen für langes Fell.
Noch Anfang des 18. Jhdt. schrieb Buffon, ein französischer Forscher und Schrifsteller, über die Katzen von Pietro Della Valle:
"Es gibt Perser, sagt Pietro della Valle (c), eine Spezies Katze, die typisch und beheimatet in der Provinz Chorazan sind; ihre Größe und Form sind wie die einer gewöhnlichen Katze; ihre Schönheit besteht in ihrer Farbe und in ihrem Fell, welches grau ohne jede Musterung und Flecken ist, dieselbe Farbe am ganzen Körper besitzt, wenn dies nicht der Fall ist, ist die Farbe nur am Rücken und Kopf ein wenig dunkler, auf der Brust und am Bauch ist sie ein wenig heller und kann fast weiß werden und eine angenehme Farbschattierung hell-dunkel haben, wie die Maler es nennen, wo eine Farbe in die andere übergeht und so einen wunderbaren Effekt ergibt: darüber hinaus ist das Haar dünn, fein, glänzend, weich und delikat wie Seide, und wenn es lang ist, steht es trotzdem nicht ab, sondern liegt an, ...... Offensichtlich war selbst für einen Naturforscher wie Buffon bis auf die Fellfarbe kein wesentlicher Unterschied zwischen den türkischen Angorakatzen und den Katzen aus Persien zu erkennen. Die Geschichte von türkischer Angorakatze und Perser verlief also lange Zeit parallel und die Unterschiede waren gering. Erst gegen Ende des 19. Jhdt. wurden Standards aufgestellt und die Rassen gezielt gezüchtet. So beschrieb der britische Künstler und Begründer der modernen Katzenzucht Harrison Weir 150 Jahre nach Buffon die Angorakatze folgendermaßen: "Die Angora-Katzen sind sehr beliebt bei Türken und Armeniern, sagt man mir, und die besten sind sehr wertvoll, eine rein weiße Katze mit blauen Augen wird als vollkommene Katze betrachtet, alle anderen Merkmale sollen gut sein, und ihr Gehör sollte auf keinen Fall einen Defekt haben. Die Merkmale sind ein kleiner Kopf mit einer nicht zu langen Nase, große, volle Augen, welche in der Farbe mit dem Fell harmonieren sollen, eher große, gespitze Ohren als kleine Ohren, mit Haarpinsel an den Spitzen, man sieht die Größe der Ohren nicht, weil sie tief im Fell rund um den Oberkopf sitzen, mit einer sehr vollen, wehenden Halskrause rund um den Kopf und den Hals; der Hals sollte nicht kurz sein, ebenso nicht der Körper, welcher lang sein soll, graziös und elegant und mit langem, seidigen Haar, das leicht wollig ist, bedeckt sein soll; im Fell unterscheidet sie sich (die Angorakatze) von den Persern, je länger das Fell ist, umso besser. In der Textur sollte das Fell so fein wie möglich sein und nicht so wollig wie das der Russen sein; das Fell liegt mehr an als wie bei Persern. Die Beinen sollen moderat lang sein, und in Proportion zum Körper; der Schwanz ist lang und leicht nach oben gebogen." Anfang des 20.Jhdt. war die türkische Angorakatze völlig in den Schatten der Perser getreten, so dass der Katzenliebhaber und -kenner Frances Simpson 1903 schrieb: „Ich mag ja unrecht haben, wenn ich alle Langhaarkatzen als Perser einstufe, aber die Unterschiede (...) zwischen Angora und Perser sind so gering, dass man es mir verzeihen möge, wenn ich die Klasse nicht beachte, die man gemeinhin Angora nennt und die allmählich aus unsere Mitte verschwunden zu sein scheint.”
Sie werden heute gezielt als Türkisch Angora gezüchtet.
Langhaarkatzen in DeutschlandAuch in Deutschland gab es zu Beginn des 20.Jahrhunderts die ersten Anfänge von organisierter Rassekatzenzucht vor allem von Langhaarkatzen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden sie "Angorakatzen" genannt und wurden vor allem in Hinblick auf ihre Fellqualitäten gezüchtet. Als in England bereits die so genannten "Hochzuchtperser" die Shows beherrschten, entsprachen die deutschen Langhaarkatzen noch weitgehend dem, wie sie 30 oder 40 Jahre zuvor in Großbritannien zu finden waren. Sehr beliebt waren vor allem weiße Katzen, die regelmäßig auf Gemälden und Postkarten abgebildet wurden. Als Perser wurden hierzulande oft blaue Langhaarkatzen bezeichnet, die jedoch vom Typ her meist nicht dem Perser nach englischen Vorbild entsprachen.
Postkarte mit Langhaarkatzen, Deutschland 1905 Viele deutsche Katzenzüchter wollten es den Engländern gleichtun und importierten von dort Perserkatzen. Dadurch war in Deutschland auf Ausstellungen eine sehr uneinheitliche Population von Langhaarkatzen zu sehen. Es gab Katzen vom Perser-Typ sowie die ursprünglichen Langhaarkatzen und alle Übergänge zwischen beiden Formen. Um die Zucht beider Formen als eigene Rassen zu fördern, schlug der in Katzenzüchterkreisen einflussreiche Prof. Dr. Friedrich Schwangart* vor, neben dem Perser nach englischem Vorbild die Rasse "Deutsch Langhaar" einzuführen, die den überall in Europa noch vorkommenden Langhaarkatzen des ursprünglichen Typs entsprechen sollten. Wie es mit der Deutsch Langhaar weiterging, finden Sie in der Geschichte der Deutsch Langhaar.
*Prof. Dr. Schwangart arbeitete in den Jahren von 1902 bis 1907 an der Zoologischen Staatssammlung München. Er war Vorstand der Königlich Bayrischen Versuchsstation und Privatdozent an der TH Karlsruhe. 1914 begann er seine Arbeit als Professor an der heutigen Technischen Universität Dresden in Tharandt im Bereich der Forst- und Allgemeinen Zoologie. In dieser Zeit lebte Schwangart in Kötzschenbroda, einem Ort bei Dresden. Als bekennender Kommunist wurde er 1933 von den Nazi all seiner Ämter enthoben und siedelte wieder nach München (Gräfelfing) um. Zu seinem Spezialgebiet wurden bald die deutschen Wild- und Hauskatzen. 1928 erschien dazu sein Werk "Zur Stammes- und Typenkunde der Hauskatze". Diesem folgten fast jährlich neue Bücher, Abhandlungen und Aufsätze, die sich immer intensiver mit der Materie Katze-Hauskatze-Edelkatze-Wildkatze auseinandersetzten.
Autor: Dr. Silke Sandberg
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