Gentests und HCM

Gentests für Feline hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)

Professor Leslie A. Lyons, University of California

In diesen Ausführungen geht es um HCM-Gentests bei Hauskatzenrassen. Da in letzter Zeit einige unnötige und vielleicht unbeabsichtigte Kontroversen aufgekommen sind, wird diese Erklärung in der Hoffnung veröffentlicht, dass sie hilft, die Rolle von Gentests für HCM bei Katzen klarzustellen.

Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist eine anerkannte erbliche Erkrankung bei Katzen (1). Im Jahr 2005 veröffentlichten Drs. Meurs, Kittleson und Kollegen, dass in einer langfristig angelegten Forschungs-Kolonie von Maine-Coon-Katzen an der UC Davis eine Veränderung der DNA im Gen für das myosin-binding protein C3 (MYBPC3) des Herzens stark mit hypertropher Kardiomyopathie (HCM) assoziiert war (2). Diese Katzen hatten sie ursprünglich von Maine Coon Züchtern für die Erforschung der HCM erhalten. In ihrer Publikation diskutieren die Autoren die Beziehung zwischen der DNA-Mutation und der Ausprägung von HCM.
Die DNA-Mutation wird üblicherweise als A31P bezeichnet, da bei dieser DNA-Mutation in der Aminosäuresequenz des Proteins cMYBPC im Codon 31 ein Alanin durch ein Prolin ersetzt wird. Die Autoren stellen klar dar, dass nicht alle Katzen mit der Mutation HCM hatten und dass einige Katzen mit HCM nicht die DNA-Mutation aufwiesen. In dieser Veröffentlichung wurde das Manifestationsalter, die unterschiedliche Ausprägung und Heterogenität der Krankheit erwähnt und dies wird weiter unten im Detail näher erläutert.

Zwei neuere Arbeiten haben gezeigt, dass nicht alle Maine Coon Katzen mit der A31P Mutation an HCM erkranken (3, 4) und eine dieser Veröffentlichungen hat irrtümlich den Mangel an Penetranz als Beweis dafür interpretiert, dass die A31P-Mutation nicht die Ursache für HCM ist (4).

Diese Interpretation ist irreführend, die folgenden Aussagen sollen zur Klärung der Bedeutung der A31P Mutation für die Entstehung von HCM bei Maine Coons beitragen
.
Bis heute besitzen die meisten Gene,die bei Katzen getestet werden, fast vollständige Penetranz, sind weniger variabel in ihrer Ausprägung und zeigen einen frühen Ausbruch. Allerdings zeigen einige unvollkommene Beispiele, wie z.B. die CEP290 PRA Mutation bei Abessiniern, ein spätes Erkrankungsalter und es gibt einige Katzen mit subklinischen Krankheitsanzeichen. Manche Katzen mit Pyruvatkinase-Defizienz können variable, darunter auch sehr milde und subklinische Anzeichen aufweisen. Das Zusammenspiel von verschiedenen Farb-Genen bringt oft die Fellfarbe der Katzen durcheinander.

Wie auch bei den HCM-Mutationen des Menschen ist es im Feld von HCM-Gentests tatsächlich keine ungewöhnliche Erkenntnis, dass nicht alle Katzen mit der A31P-Mutation HCM bekommen. Mutationen sind manchmal nicht 100% penetrant und führen damit nicht immer zu einer klinisch nachweisbaren Erkrankung.

Das Auftreten von HCM bei einer bestimmten Katze und der Schweregrad (Ausprägung) der HCM werden wahrscheinlich durch folgende Faktoren beeinflusst:


1) Unvollständige Penetranz

Obwohl eine bekannte ursächliche Mutation vorhanden ist, zeigt sie bei einem Individuum mit dieser Mutation bei ,amchen Merkmalen und Krankheiten nicht die entsprechende Ausprägung. Unvollständige Penetranz ist eine Extreme der variablen Ausprägung (siehe unten).
Im Allgemeinen ist der Grund, warum sich ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht zeigt, unbekannt, aber andere genetische, biologische und Umweltfaktoren spielen sicher eine Rolle für das allgemeine Erscheinungsbild und die Gesundheit des Einzelnen und seiner Organe.
Die wahrscheinlich einfachste Erklärung ist jedoch, dass die Echokardiographie (Herzultraschall) wahrscheinlich ein zu wenig empfindliches Werkzeug für das Erkennen von milden Formen von HCM bei Katzen ist und dass so viele Katzen mit milder HCM aussehen als hätten sie keine HCM. Erfahrung und Voreingenommenheit spielen hierbei auch eine Rolle.
Bei Menschen, die nicht Hunderte oder sogar Tausende von Katzen mit HCM untersucht haben, ist es weniger wahrscheinlich, dass sie in der Lage sind, eine genaue Diagnose zu stellen.


2) Manifestationsalter (altersbedingte Penetranz)

Einige Krankheiten zeigen ein langsames Voranschreiten und zeigen sich möglicherweise erst spät im Leben. Bei Menschen ist HCM aufgrund der MyBPC-Mutationen eindeutig eine
Krankheit mit langsamer Progression und bricht üblicherweise erst ab einem Alter über 50 Jahre aus. HCM bei Maine Coon-Katzen kann sich also auch auch bei älteren Katzen entwickeln, vor allem wenn die Katzen heterozygot für die Mutation sind (sie tragen nur eine Kopie des mutierten Gens) und aus unerfindlichen Gründen bei den Weibchen. Oft kann eine autosomal dominant vererbte Krankheit schwerwiegender sein, wenn zwei Kopien des risikobehafteten Mutation in einem Individuum vorhanden sind, was zu einer früheren und schwereren Erkrankung führt, was im Fall des A31P-Mutation so zu sein scheint.
Ein konkretes Alter, wann eine Katze frei davon ist HCM zu entwickeln, ist nicht genau festgelegt.


3) Variable Ausprägung

Die meisten Merkmale und Krankheiten haben ein gewisses Maß an variabler Ausprägung, die von dem jeweiligen Individuum abhängt. Beispielsweise haben nicht alle Katzen mit der Mutation für Verdünnung den gleichen blauen/grauen Farbton. Offensichtlich beeinflusst der genetische Hintergrund und die Umwelt eines Individuums die allgemeine Ausprägung von Merkmalen und Krankheiten.

Somit kann bei Katzen mit HCM das Ausmaß der Ausprägung in Hinblick auf die Dicke der linken Ventrikelwand variabel sein. Katzen können leichte, mittelschwere oder schwere HCM haben. Nur Katzen mit schwerer HCM zeigen klinische Anzeichen, obwohl einige wenige Katzen mit einem geringerem Schweregrad der Erkrankung plötzlich sterben können.

Da Katzen mit HCM in den "zweideutigen (equivocal)" Bereich für Wandstärke fallen können, ist es schwer den definitiv erkrankten Status zu bestimmen. Bei diesen zweideutigen Katzen kann die Erkrankung mit der Zeit fortschreiten oder der zweideutige Status ist schon so gravierend wie die Krankheit werden kann.


4) Heterogenität der Krankheit

Oft kann mehr als eine Mutation im gleichen Gen oder Mutationen in verschiedenen Genen die gleiche Krankheit verursachen. Genetische Heterogenität bei HCM des Menschen ist gut untersucht, daher gibt es keinen Grund anzunehmen, dass nicht die gleiche Situation für Katzen zutrifft. Derzeit gibt es über 1000 Mutationen in mehr als 10 Genen, von denen bekannt ist, dass sie HCM beim Menschen verursachen. Es wurden nur zwei Mutationen identifiziert, die bei Katzen HCM verursachen, die A31P-Mutation in Maine Coo- Katzen und R820W-Mutation bei Ragdolls (4). Beide Mutationen kommen im MYBPC3-Gen vor, das am häufigsten mutierte Gen in Menschen mit HCM. Andere Katzenrassen wie Bengalen, Sibirier, Devon Rex und Sphynx und Mischlingskatzen haben entweder kein oder ein extrem niedriges Vorkommen der A31P- oder die R820W-Mutation. Es ist außerdem bekannt, dass es Maine Coon Katzen mit HCM gibt, die nicht die A31P-Mutation aufweisen, weshalb es mindestens eine weitere Ursache für HCM in dieser Rasse, wahrscheinlich eine andere Mutation, geben muss.



5) Genauigkeit von Gentests

Auch wenn eine bestimmte genetische Mutation für eine erbliches Merkmal oder eine Krankheit identifiziert wurde, verwenden Forschungslabors verschiedene Methoden zur Bestimmung der Mutation. Fehler bei der genetischen Untersuchung können falsche DNA-Testergebnisse hervorbringen, die zu Verwirrung bei der Interpretation der Testergebnisse führen.
Direkte DNA-Sequenzierung wird als die robusteste Methode betrachtet, "der Gold-Standard", ist aber auch die teuerste.

DNA-Primer müssen an die gesuchte DNA-Sequenz binden. Andere, unwichtige Mutationen können in den Bereichen liegen, in denen die Primer binden, und eine schlechte oder gar keine Amplifikation eines oder beider Allele eines bestimmten Individuum bewirken. Dieser Zustand wird als allelisches Drop-out bezeichnet und alle Prüflaboratorien sind sich dieser potentiellen Fehlerquelle für Gentests bewusst.
Sogar direkte DNA-Sequenzierung kann durch allelisches Drop-out beeinträchtig werden. Aber weil dabei im Allgemeinen ein größerer Teil des Gens amplifiziert wird, die andere DNA-Varianten aufweisen können, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit das allelische Dorp-out zu bemerken.
Labore plazieren PCR-Primer an verschiedenen Orten rund um die Mutation, um das Risiko einer allelischen Drop-out zu erniedrigen, was oft urheberrechtlich geschützte Informationen sind. So haben einige Labore bessere Tests als andere, auch wenn sie die gleichen Testverfahren anwenden. Die verschiedenen DNA-Test-Verfahren wurden in der Regel entwickelt, um Kosten zu reduzieren und sie an den üblichen Laborablauf und die Ausstattung anzupassen. Aber einige Testverfahren können in der Regel ein etwas erhöhtes Risiko von falschen Ergebnissen aufweisen. Verschiedene übliche Methoden für DNA-Tests beinhalten real-time PCR (TaqMan), Restriktionsfragmentlängenpolymorphismus (RFLP), Allel-spezifische Oligonukleotide (ASO) oder neuerdings sogar auf Massenspektroskopie basierende Verfahren.


6) Ungenaue klinische Diagnostik

Ultraschall-Untersuchungen des Herzens (Echokardiographie) sind die am häufigsten angewandte und einzig brauchbare Methode zur Diagnose von Herzerkrankungen bei Katzen. Mehrere Studien haben das Auftreten von HCM bei Hauskatzen und Maine Coon-Katzen untersucht(6-8). Nicht jede Herzerkrankung ist HCM und sogar über die Definition von HCM kann gestritten werden. Eine einheitliche Definition für HCM wird nicht immer von allen Kardiologen verwendet, woraus sich einige Schwierigkeiten ergeben, Ergebnisse von Gentests mit Ultraschall-Berichten zu korrelieren, insbesondere wenn diagnostische Kriterien nicht detailliert in dem Untersuchungsbericht angegeben sind.
Fehlinterpretationen bei Ultraschalluntersuchungen können zu unterschiedlichen Interpretationen des Krankheitsstatus führen.


Empfehlungen für die Zucht

Katzenzüchter sind sehr kompetent in Bezug auf das Abwägen verschiedener Faktoren, die zu gesunden Katzen von gutem Typ und Wesen führen.
Viele genetische Tests verhelfen Züchtern zu klareren, fundierteren Entscheidungen.

Katzen, bei denen durch eine Ultraschalluntersuchung HCM diagnostiziert wurde, sollten von der Zucht ausgeschlossen werden.

Katzen mit einem positiven HCM Gentest sollten durch Ultraschall untersucht werden, um festzustellen, ob sie erkrankt sind. Die gesamten Informationen sollten bei Zuchtentscheidungen verwendet werden. Andere Merkmale wie Gesundheit, Typ und Verhalten sollten sicherlich ebenso in der gesamten Zuchtplanung berücksichtigt werden. Züchter sollten jedoch konsequent daran arbeiten, die Risiken für alle gesundheitlichen Probleme zu reduzieren.

Bei jeder Katze mit der A31P-Mutation besteht das Risiko an HCM zu erkranken und jede Katze mit der Mutation gibt sie an einige oder alle ihre Nachkommen weiter.

Katzen, die homozygot für die A31P–Mutation sind, werden definitiv die Mutation an ihre Nachkommen weitergeben. Homozygote Katzen tragen ein hohes Risiko schwere HCM zu entwickeln.

Mit Katzen, die heterozygot für die Mutation sind, sollte nicht gezüchtet werden, außer sie haben andere Qualitäten, die entweder für die Rasse außerordentlich wichtig oder notwendig sind. Nachkommen, die negativ für die Mutation getestet werden, sollten verwendet werden, um sie im Genpool ersetzen.


GIB NICHT AUF ZU FORSCHEN

Der einzige Weg, um das wahre Risiko zu bestimmen, ist die Katzen ihr Leben lang mit Ultraschall zu begleiten und die Ergebnisse mit den Ergebnissen der HCM-Gentests zu vergleichen. Nur die Zeit und Folgeuntersuchungen werden helfen, die wahren Risiken zu bestimmen, die die Mutationen mit sich bringen. Verschiedene Studien haben höhere oder niedrigere Risiken in verschiedenen Populationen von Katzen ergeben, aber in keiner konnten die Katzen ihr ganzes Leben lang begleitet werden. Solche Studien sind wichtig und von großem Wert für die Gemeinschaft. Weitere Mutationen müssen gefunden werden und die Zusammenarbeit mit Züchtern muss positiv und von Enthusiasmus getragen sein, damit die Studien erfolgreich durchgeführt werden können.


Literatur

1. Kittleson MD, Meurs KM, Munro MJ, Kittleson JA, Liu SK, Pion PD, Towbin JA. Familial hypertrophic cardiomyopathy in maine coon cats: an animal model of human disease. Circulation. 1999 Jun 22;99(24):3172-80.

2. Meurs KM, Sanchez X, David RM, Bowles NE, Towbin JA, Reiser PJ, Kittleson JA, Munro MJ, Dryburgh K, Macdonald KA, Kittleson MD. A cardiac myosin binding protein C mutation in the Maine Coon cat with familial hypertrophic cardiomyopathy. Hum MolGenet. 2005 Dec 1;14(23):3587-93. Epub 2005 Oct 19.

3. C. Carlos Sampedrano, V. Chetboul, J. Mary, R. Tissier, M. Abitbol, F. Serres, V. Gouni, A. Thomas, and J.-L. Pouchelon Prospect ive Echocardiographic and Tissue Doppler Imaging Screening of a Population of Maine Coon Cats Tested for the A31PMutation in the Myosin-Binding Protein C Gene: A Specific Analysis of the Heterozygous
Status. J Vet Intern Med 2009;23:91–99.

4. G. Wess, C. Schinner, K. Weber, H. Kuchenhoff, and K. Hartmann. Association of A31P and A74T Polymorphisms in the Myosin Binding Protein C3 Gene and Hypertrophic. J Vet Intern Med 2010;24:527–532.

5. Meurs KM, Norgard MM, Ederer MM, Hendrix KP, Kittleson MD. A substitution mutation in the myosin binding protein C gene in ragdoll hypertrophic cardiomyopathy. Genomics. 2007 Aug;90(2):261-4. Epub 2007 May 22

6. Gundler S, Tidholm A, Häggström J. Prevalence of myocardial hypertrophy in a population of asymptomatic Swedish Maine coon cats. Acta Vet Scand. 2008 Jun18;50:22.

7. Paige CF, Abbott JA, Elvinger F, Pyle RL.Prevalence of cardiomyopathy inapparently healthy cats. J Am Vet Med Assoc. 2009 Jun 1;234(11):1398-403.

8. Fries R, Heaney AM, Meurs KM. Prevalence of the myosin-binding protein C
mutation in Maine Coon cats. J Vet Intern Med 2008;22:893–896.

(Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Lyons übersetzt von Dr. Silke Sandberg)